Interview: David Hochhausen
Welche Konkreten Ziele haben Sie für die Verbesserung der Kindertagesbetreuung in Pulheim?
Gute, sichere und wohnortnahe Kinderbetreuung ist für Familien von höchster Priorität. Ohne diese Rahmenbedingung ist die Bewältigung des Alltags erheblich erschwert, teilweise auch unmöglich.
Auch volkswirtschaftlich ist es eine schwache Kinderbetreuung eine Belastung. Daher:
1.
Das wichtigste Ziel ist die deutliche Verbesserung der Zuverlässigkeit der Kinderbetreuung ohne Einschränkungen der Qualität der pädagogischen Arbeit. Knirscht es bei der Kinderbetreuung, kracht es in den Familien. Dieser Verantwortung muss die Stadt dauerhaft gerecht werden.
2.
Die angebotenen Betreuungszeiten müssen sich an den Bedürfnissen der Familien ausrichten, nicht den vermeintlichen organisatorischen Zwängen der Verwaltung. Konkret: Die Einschränkung der Regelbetreuungszeiten muss beendet werden und den Familien wieder eine vollumfängliche Betreuung angeboten werden.
Wie viele zusätzliche Betreuungsplätze streben Sie während Ihrer Amtszeit an?
Die konkrete Zahl der nötigen Betreuungsplätze schwankt bekanntlich von Jahr zu Jahr, daher ist eine pauschale Festlegung auf konkrete Zahlen nicht zielführend. Am Ende meiner Amtszeit werden die bisher unterversorgten Stadteile auskömmlich ausgestattet sein.
Die Schaffung von Kapazitäten darf dabei nicht bei rechnerischer Abdeckung im Stadtgebiet enden. Ziel muss eine gute wohnortnahe Versorgung sein. Darüber hinaus ermöglicht es eine rechnerische Überdeckung Gruppengrößen zu reduzieren. Dies wäre für die pädagogische Arbeit und die Attraktivität des Arbeitsplatzes ein erheblicher Vorteil.
Welche Qualitätsstandards möchten Sie in den Kitas der Stadt Pulheim sicherstellen oder ausbauen?
Die grundsätzlichen Qualitätsstandards sind gesetzlich vorgegeben und müssen selbstverständlich eingehalten werden.
Schlüssel dazu sind zum einen gutes Fachpersonal, welches sich regelmäßig fortbilden kann. Und dieses qualifizierte Personal muss auch die nötigen Freiräume haben, um gezielt pädagogisch arbeiten zu können.
Daher ist auch für diese Frage eine starke Personaldecke und eine Reduzierung der Gruppengrößen notwendig. Dies dient letzten Endes auch dem Schutz des Personals, reduziert den Krankenstand und steigert die Attraktivität des Arbeitsplatzes.
Unbedingt deutlich angehoben werden muss der Ausstattungsstandard unserer Kitas. Spielgeräte, Raumausstattung und Möblierung müssen erheblich besser finanziert werden. Die Außengelände müssen neben guten Spiel- und Tobemöglichkeiten selbstverständlich auch angemessene Verschattungen in der Sommerzeit aufweisen. Die Räumlichkeiten müssen auch während der Hitzeperioden bei angemessenen Temperaturen nutzbar sein.
Daher werde ich sofort nach meiner Amtsübernahme eine ehrliche Bestandsaufnahme der Kitagebäude vornehmen.Viele Einrichtungen haben Sanierungsbedarf. Hier dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit im Schulbereich wiederholt werden. Das heißt es muss frühzeitig umfangreich saniert werden, bevor der Sanierungsstau zu groß wird. Es muss bei jeder größeren Maßnahme ehrlich und auf die gesamte Lebenszeit des Gebäudes gerichtet diskutiert werden, ob ein Neubau nicht die bessere Alternative ist.
Ein großes Ziel muss es sein, das für eine gesunde Ernährung, wo immer es möglich ist, für die Kinder frisch gekocht wird. Die Tatsache, dass an mehreren Kitas im Stadtgebiet seit Jahren die notwendigen Küchenaus- und umbauten durch die Stadt nicht vorgenommen werden, da sie nicht mit der notwendigen Prioritätsstufe versehen werden, ist entlarvend. Der Abbau dieses Sanierungsstaus, der vor allem zu Lasten unserer Kinder geht, ist eines meiner großen Ziele für die ersten Jahre als Bürgermeister. Die Jahrzehnte des auf die lange Bank Schiebens werde ich beenden.
Wie möchten Sie den Ausbau der Betreuungsplätze organisatorisch und finanziell umsetzen?
Zunächst einmal ist festzustellen, dass die aktuell bestehende Defizite Folgen der systematischen und politisch gewollten Fehlplanung der Vergangenheit sind. Es konnte niemanden überraschen, dass in Neubaugebiete vor allem junge Familien ziehen. Auch der Generationenwechsel in einzelnen Ortslagen kommt nicht völlig überraschend. Die politische Verantwortung für diese Fehlplanungen wurde bisher nicht übernommen oder wenigstens einmal eingeräumt.
Der inzwischen besser gewordene Kitabedarfsplan muss Grundlage steuernder Eingriffe sein und darf nicht als reines Messwerkzeug verstanden werden. Ob der notwendige Ausbau der Kapazitäten dabei durch kommunale Einrichtungen erfolgt, oder freie Träger verstärkt zum Zuge kommen, ist für mich von untergeordneter Bedeutung. Auf beiden Wegen ist qualitativ hochwertige Kinderbetreuung möglich.
Insbesondere im Bereich der u3 Betreuung wurde über viele Jahre von sehr vielen Tageseltern das völlige Versagen der Stadt bei der Schaffung entsprechender Angebote kompensiert. Durch die inzwischen erheblich gestiegenen Fördermittel für den Ausbau
der u3 Betreuung sind hier viele neue Kapazitäten geschaffen worden. Es ist unbedingt eine kooperative Neuausrichtung des Zusammenspiels zwischen Tageseltern und städtischen Angeboten in diesem Bereich nötig. Ich sage klar, dass ich Tageseltern als eine wichtige Komponente im Bereich der Kinderbetreuung sehe, die erhalten werden muss. Ihre konkrete Funktion im Angebotsspektrum in Pulheim muss neu justiert werden. Zur Sicherung dieses Angebots sehe ich auch Ausgleichszahlungen als zielführend an, etwa wenn Kinder kurzfristig in ein kommunales Angebot wechseln.
Mir ist wichtig, dass der Ausbau der u3-Betreuung nicht primär aus wirtschaftlichen Motiven erfolgt. Er muss sich am Elternwillen orientieren und pädagogisch sinnvoll abgesichert sein. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel ist hier ein Ausbau mit Augenmaß nötig, da sonst bestehende und gute Betreuungsstrukturen bei den Tageseltern zerstört werden, ohne dass mindestens gleichwertige, dauerhaft zuverlässige Angebote geschaffen werden.
Wie planen Sie den Fachkräftemangel in der Kindertagesbetreuung zu bekämpfen?
Die Handlungsspielräume der Stadt sind hier begrenzt, aber durchaus vorhanden. Grundsätzlich: Wenn die Stadt ein deutlich attraktiverer Arbeitgeber ist, fällt auch die Gewinnung von Fachpersonal leichter. Hier bestehen bisher erhebliche Defizite.
Finanziell ist dies weniger ein Problem, falls die Lohnstufen gezahlt werden, die auch angemessen sind. Insbesondere im Bereich der Leitungsvertretungen wird dabei aber oft sehr lange auf die nötigen Anpassungen verzichtet. Das darf nicht sein.
Die Attraktivität des Arbeitsplatzes wird maßgeblich auch von der Einrichtungsqualität, den Möglichkeiten zur Qualifizierung und einem wertschätzenden Arbeitsumfeld beeinflusst. Konkretes Beispiel: Wenn über viele Jahre trotz bekannter Überhitzungsprobleme in den Sommermonaten die Stadt nicht tätig wird, zeigt dies deutlich nicht nur Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen unserer Kinder, sondern auch mangelnde Wertschätzung für die Arbeit der Erzieher*innen.
Um insbesondere für Auszubildende, Berufsanfänger*innen oder PIAs angesichts des sehr hohen Mietniveaus in Pulheim attraktiver zu werden, möchte ich, dass die Stadt vergünstigte Wohnungen für dieses Personal anbietet. Auch die Errichtung eines Azubiwohnheims in Pulheim wäre ein guter Schritt.
Die Ansiedlung einer Fachschule wäre dauerhaft ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Nahwuchsgewinnung in Pulheim, für den ich mich einsetzen werde.
Welche Schritte werden Sie unternehmen, um die Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung, Trägern und Eltern zu verbessern?
Die Rolle des SEPU muss dringend gestärkt werden. Es kann nicht sein, dass jeder neugewählte SEPU praktisch bei null anfangen muss. Hier steht die Stadt meiner
Meinung nach in der Verantwortung unterstützend tätig zu werden. Dies beginnt mit der Einrichtung einer permanenten Homepage, organisatorischer und logistischer Unterstützung und dem regelmäßigen Austausch zwischen SEPU und Verwaltung.
Planen Sie eine Entlastung der Eltern bei den Beiträgen für die Kinderbetreuung? Wenn ja, wie?
Die Abschaffung er Elternbeiträge ist seit langem eine sozialdemokratische Kernforderung. Im Rahmen der Landtagswahl 2017 war dies ein klares Versprechen von Hannelore Kraft. Dementsprechend hat sich seitdem nur wenig getan. Auch die aktuelle Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag ein weiteres beitragsfreies Jahr vorgesehen, passiert ist diesbezüglich aber nichts.
So lange die Untätigkeit der Landesregierung von den Eltern und dem Rest der Bevölkerung hingenommen wird (ehrlicherweise kann man auch feststellen, dass diese Politik anscheinend sogar erhebliche Zustimmung findet) wäre es an der Stadt hier „auf eigenen Kosten“ tätig zu werden. Ich persönlich würde einen solchen Schritt begrüßen. Dazu muss der kommende Stadtrat aber eine entsprechende Mehrheit ermöglichen.
Sollte sich eine entsprechende Mehrheit nicht finden oder die Haushaltslage die Abschaffung nicht zulassen, muss eine Anpassung der Beitragstabelle erfolgen. Die allgemeine Kostensteigerung trifft gerade die unteren und mittleren Einkommen erheblich stärker, also müssen hier stärkere Entlastungen erfolgen.
Wie möchten Sie die Wünsche und Bedürfnisse der Eltern in Ihre Planung einbeziehen?
Die Stadt wäre eigentlich in der Pflicht, Bedarfe auch bei bestehenden Verträgen wiederkehrend zu erfassen.
Dies muss in Zukunft geschehen und wurde bereits durch die SPD-Fraktion bei der Verwaltung angefragt. Die Möglichkeiten der Digitalisierung, die mit erheblicher Verzögerung nun auch in den städtischen Kitas ankommt, bietet hier natürlich erhebliche Potentiale.
Zur meiner Meinung nach angemessenen Rolle des SEPU habe ich bereits bei Frage 6 Stellung bezogen.
Gibt es weitere Maßnahmen oder Ideen, die Ihnen besonders wichtig sind, um die Kinderbetreuung in Pulheim zukunftssicherer zu gestalten?
Wie oben bereits ausgeführt, sollte eine gute, sichere Kinderbetreuung eine der primären Aufgaben einer Stadt sein. Neben all den offensichtlichen Vorteilen für Familien, aber auch Betreuende ist dies nicht zuletzt auch ein Standortvorteil.
Als Gesellschaft müssen wir endlich aufhören, die engagierten Beschäftigten in den sozialen Bereichen, hier dem Erziehungsbereich, durch dürftige Arbeitsbedingungen kaputt zu machen. Wenn ich mir anschaue, welche Schritte die Stadt Dormagen unternimmt, um hier echte Verbesserungen zu erreichen, zeigt mir das sehr deutlich, dass es eine Willensfrage ist, ob wir hier besser werden oder nicht. Grundvoraussetzung für eine Übernahme des Dormagener Modells ist aber die grundsätzliche Abdeckung der Betreuungsbedarfe, da erst dadurch die Spielräume entstehen, um Gruppengrößen zu
reduzieren.
Wenn diese Spielräume bestehen, ist es eine Frage des politischen Willens, diese zu nutzen. Denn dies kostet Geld (konkret: Rückerstattung von Landesmitteln und Erstattungen an Träger). Ich habe diesen Willen.
Welche Botschaft möchten Sie den Eltern und Kindern in Pulheim mit auf den Weg geben?
Von der Pulheimer Bildungslandschaft in glühenden Tönen zu reden ist leicht. Die tatsächliche Realität sind reduzierte Regelbetreuungszeiten, unplanbare Betreuungsausfälle und Notbetreuungen. Die Ausstattung vieler Einrichtungen spricht für sich, der lange Kampf für kleinteilige Verbesserungen bei Einrichtung oder Außenbereichen auch.
Es hat dabei System, dass der Ausfall von Betreuungszeiten nicht transparent erfasst wird. Und dass die Rolle des SEPU als Sprachrohr einer vernetzten Elternschaft möglichst klein gehalten wird.
Als Bürgermeister will ich die Verantwortung dafür übernehmen, dass sich diese Zustände deutlich verbessern. Und ich möchte mich gerne an der Frage messen lassen, ob diese Verbesserungen gelingen. Ganz transparent etwa durch ein regelmäßiges Assessment des SEPU oder einer externen Stelle.